Die drei Apps, welche wir ausprobieren durften sind: «Noun Town», «VR New York City Story» und «Mondly». In der App «Noun Town» befindet man sich in einer Restaurantumgebungen, in der es hauptsächlich darum geht, Wörter zu lernen. Demgegenüber soll die Umgebung «VR New York City Story» ein immersiveres Erlebnis erzeugen, in dem in Alltagssituationen in der Stadt New York eingetaucht wird. In der App «Mondly» tauchen die Nutzer:innen ebenfalls in Alltagssituationen ein und führen kurze Dialoge.
Liebe Brigitte, liebe Meike, welche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten konntet ihr im Test der unterschiedlichen Apps aufdecken?
Brigitte:
Ich durfte im ersten Durchlauf die App «Noun Town» testen. Zu Beginn war ich hauptsächlich mit technischen Schwierigkeiten beschäftigt. Schliesslich schaffte ich es dann doch, in der Restaurantumgebung Gegenstände aufzuheben, ans Ohr zu halten und zu hören, wie der Gegenstand in der japanischen Sprache heisst. Dabei musste ich den richtigen Knopf gedrückt halten und das gerade gehörte japanische Wort wiedergeben. War meine Antwort korrekt, so wurde der Gegenstand farbig und das Wort somit als «gelernt» markiert.
Leider kann ich mich heute an keine japanischen Begriffe mehr erinnern, lediglich diejenigen Wörter die Parallelen zur englischen Sprache aufweisen, sind mir geblieben. Die Sprache wirklich lernen, konnte ich in diesem Moment nicht, dafür war ich zu stark mit den vielen Knöpfen der Handcontroller beschäftigt.
Meike:
Auf jeden Fall bist du schon weiter gekommen als ich! Leider habe ich es nicht geschafft, die Objekte in der App «Noun Town» aufzuheben und bin schliesslich an der Technik gescheitert. Aus diesem Grund habe ich hauptsächlich die Apps «VR New York City Story» und «Mondly» ausprobiert. Ich hatte ziemlich hohe Erwartungen an die App «VR New York City Story», da der Name ein immersives Fremdsprachenerlebnis in New York versprach. Ich war von der App dann etwas enttäuscht, da die Stadt New York für mich nicht spürbar und erkennbar wurde in dieser virtuellen Welt. In der App konnte anhand von verschiedenen Bildern eine Alltagssituation gewählt werden, ich entschied mich für die Büroumgebung. Eine Schwierigkeit der App lag darin, dass die Beschreibungen nur in koreanischer oder chinesischer Sprache verfügbar waren, was das Benutzen der App erschwerte.
In den gewählten Alltagssituationen wird ein kurzer Dialog von ca. 5 Sätzen geführt. Dieser Dialog erscheint vor dem Eintauchen in die Alltagssituation als Skript, den ich in kurzer Zeit abspeichern sollte. Anschliessend stand in der Szene vor mir eine Arbeitskollegin, welche mir die geskripteten Fragen stellte, auf die ich mit der vorher gelernten Antwort reagieren sollte. Dies war teilweise herausfordernd, nicht nur wegen der Technik, auch dadurch dass die Antworten explizit dem Skript zu folgen hatten und keinen Spielraum zuliessen.
Ich konnte mit der App nur begrenzt in die Sprache eintauchen und die Sprache lernen. Vielmehr fühlte ich mich teilweise gestresst, da das Programm inhaltlich ähnliche Antworten nicht durchgehen liess. Die zuvor gelernten Antworten mussten im selben Wortlaut reproduziert werden.
Ich denke wir waren uns ziemlich einig, dass die App «Mondly» wohl das grösste Sprachlernpotenzial mit sich bringt.
Die Sprache wirklich lernen, konnte ich in diesem Moment nicht, dafür war ich zu stark mit den vielen Knöpfen der Handcontroller beschäftigt.
Brigitte Reber, Dozentin Institut Sekundarstufe 1 PH Bern Tweet
Genau, wir durften «Mondly» ebenfalls testen. Während wir in der App «VR New York City Story» die Skripts auswendig zu lernen hatten, standen in der App «Mondly» verschiedene Antwortmöglichkeiten zur Auswahl. Brigitte, du hast vorher erwähnt, dass du beim Ausprobieren der App richtig in die Bahnhofsumgebung eintauchen konntest und sogar die Diesellokomotiven riechen konntest. Wie hast du «Mondly» erlebt?
Brigitte:
Rein von der Grafik her, bewerte ich «Mondly» um einiges besser als «Noun Town». Trotzdem hat auch die VR-Umgebung von «Noun Town» bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Umgebung in «Mondly» ist meiner Meinung nach in der Gestalt nochmals ausgereifter. Mich hat beeindruckt, dass beispielsweise im Flugzeug aus dem Fenster geschaut werden konnte und im Zug im Hintergrund Informations-Durchsagen zu hören waren. Diese und weitere Elemente lassen die VR-Umgebung nochmals authentischer wirken.
Meike:
Obwohl man auch sagen muss, dass die Dialoge nicht viel natürlicher waren, da man immer noch zwischen drei Antwortmöglichkeiten zu wählen hatte. Die Antworten mussten auch jeweils korrekt ausgesprochen werden und vom Programm gutgeheissen werden, bevor die nächste Frage folgte.
Brigitte:
Genau, erst dann ging es weiter. Realitätsfern ist zudem, dass meine Antworten keine wirkliche Konsequenz auf den Gesprächsverlauf hatten. Beispielweise kam der Schaffner und verlangte das Fahrticket von mir. Als ich ihm antwortete, dass ich keines besitze, meinte dieser, ich müsse eine Strafe zahlen. Anschliessend verschwand der Schaffner und meine Antwort hatte keinerlei Konsequenz.
Realitätsfern ist zudem, dass meine Antworten keine wirkliche Konsequenz auf den Gesprächsverlauf hatten.
Brigitte Reber, Dozentin Institut Sekundarstufe 1 PH Bern Tweet
Ich durfte in «Mondly» in die schwedische Sprache eintauchen. Insbesondere im Lernen der Aussprache sehe ich Potenzial, da die Sätze vorgesprochen werden und ich sie nachsprechen kann. Nun würde ich gerne von euch wissen, welches Potenzial ihr in VR-Umgebungen in der Lehre an der PH Bern mit Studierenden sowie auf Sekundarstufe 1 mit Schüler:innen sieht?
Meike:
VR-Umgebungen unbedingt mit den Studierenden ausprobieren! Die Technik steht noch in den Anfängen und muss sich sicher noch weiterentwickeln. Ich denke, die Auseinandersetzung mit den Apps eignet sich, um über Fremdsprachenlernen allgemein nachzudenken und Diskussionen darüber zu führen. Welche Zugänge zum Fremdsprachenlernen wählen die Apps und wie werden Fremdsprachen tatsächlich in der Realität gelernt? Welche Elemente aus der VR-Umgebung könnten für Schüler:innen hilfreich sein?
Brigitte:
Auf Sekundarstufe 1 können die Apps einen Teil des Fremdsprachenlernens abdecken. Beispielsweise wie ein Dialog aufgebaut ist und wie im Alltag oft vorkommende Dialoge ablaufen. Alltagssituationen können insbesondere mit «Mondly» gut geübt werden. Dies ist beispielsweise mit offenen Aufgabenstellung gemäss «Task based learning» nur eingeschränkt möglich. Hier könnten VR-App Lücken schliessen. Zeitgleich muss ich anfügen, damit die Sprache wirklich gelernt werden könnte, braucht es zwischen VR-Übungen gezielte herkömmliche Sprachaufgaben um die Dialoge intensiv üben und die nötigen Chunks abspeichern zu können. Die getesteten VR-Anwendungen reichen noch nicht aus, um im Bereich «Memorieren» die gesamte Bandbreite an Kompetenzanforderungen abdecken zu können.
Ich denke, die Auseinandersetzung mit den Apps eignet sich, um über Fremdsprachenlernen allgemein nachzudenken und Diskussionen darüber zu führen. Welche Zugänge zum Fremdsprachenlernen wählen die Apps und wie werden Fremdsprachen tatsächlich in der Realität gelernt?
Meike Raaflaub, Dozentin Institut Sekundarstufe 1 PH Bern Tweet
Wir haben auch darüber gesprochen, dass es zuerst eine Basis in der Sprache braucht, bevor in die virtuellen Dialoge eingestiegen werden kann. Wenn ihr an zukünftige Schulen denkt, welche Chancen bzw. Stolpersteine seht ihr im Einsatz von VR-Apps im Fremdsprachenunterricht?
Meike:
Die Stolpersteine sind relativ klar: Das Einrichten des Settings ist sehr aufwendig und zudem braucht es einige Zeit bis die Nutzenden sich mit den Controllern und der Brille zurechtfinden. Hier braucht es sicher noch Erleichterung im Bereich der Benutzer:innenfreundlichkeit. Deswegen denke ich, ist es im Moment noch zu aufwendig, damit eine Lehrperson mit der Klasse VR-Übungen im Unterricht einbauen möchte.
Brigitte:
Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass die VR-Umgebungen der getesteten Apps sprachlich noch zu wenig reichhaltig sind. Die Nutzenden sind der Sprache nur eingeschränkt ausgesetzt. Wie in der Realität, bräuchte es mehr externen Input und weniger schnell das Generieren von Output auf Seiten der Lernenden. Wie Lernende der Sprache ausgesetzt sein können, zeigen aktuelle Erkenntnisse des Sprachenlernens (insbesondere Englisch) im Zusammenhang mit dem Spielen von Games. Die Sprache in Games sowie Videos ist meist Englisch – Kinder und Jugendliche sind der englischen Sprache in verschiedenen Kontexten ausgesetzt. Dieser rezeptive Anteil ist in den getesteten Apps sehr gering. Hier sehe ich Verbesserungspotenzial.
Meike:
Eine Möglichkeit, um Sprachen zu lernen, sehe ich ebenfalls darin, dass die Apps nicht unbedingt explizit auf das Sprachenlernen fokussiert sein müssten. Ich sehe Potenzial darin, dass die VR-Umgebungen thematisch orientiert sind und die in der App verwendete Sprache Englisch / Französisch o.ä. ist. Das Sprachenlernen kann immersiv passieren, so dass der Fokus auf dem Inhalt liegt und weniger auf dem isolierten Sprachenlernen.
Eine Möglichkeit, um Sprachen zu lernen, sehe ich ebenfalls darin, dass die Apps nicht unbedingt explizit auf das Sprachenlernen fokussiert sein müssten. Ich sehe Potenzial darin, dass die VR-Umgebungen thematisch orientiert sind.
Meike Raaflaub, Dozentin Institut Sekundarstufe 1 PH Bern Tweet
Zum Schluss möchte ich von euch beiden wissen, was ihr unseren Hörern und Hörerinnen empfehlen würdet. Virtual Reality Anwendungen mal ausprobieren oder einfach die Finger davon lassen?
Brigitte:
Unbedingt ausprobieren und sich in die Diskussion einbringen, ich denke das ist wichtig.
Meike:
Es ist spannend, einfach mal reinzuschauen, überhaupt technisch: Wie funktioniert VR, wo sind Anwendungsmöglichkeiten, wo braucht es Weiterentwicklungen. Meiner Meinung nach hat VR enorm Potenzial.
Unbedingt ausprobieren und sich in die Diskussion einbringen.
Brigitte Reber, Dozentin Institut Sekundarstufe 1 PH Bern Tweet
2 Anworten auf „VR im Fremdsprachenunterricht“
Bevor wir den Schüler*innen die VR «zumuten», ist es natürlich wichtig, diese selber zu testen. Die Erfahrungen der Dozent*innen zeigen, dass manchmal schon sehr viel Zeit dafür verloren geht, den Umgang mit diesen Apps zu erlernen. Um die Apps zu Nutzen muss ein gewisses Sprachniveau gegeben sein. Auch stimme ich der Meinung zu, dass auch VR Umgebungen für die Schüler*innen interessant sein können, die thematisch sind und nicht unbedingt zum Sprachenlernen.
Liebe Jana
Herzlichen Dank für deinen Kommentar. Wir teilen deine Meinung, dass Anwendungen von Lehrpersonen bzw. Dozierenden unbedingt zuerst selber getestet werden sollen. Durch das Testen werden einerseits Stolpersteine und Herausforderungen erkannt und anderseits kann darüber nachgedacht werden, inwiefern neue Anwendungen für den Einsatz in der Praxis taugen.
Liebe Grüsse Team Trendscouting